Allgemein,  Geplauder

Geht auch 50 Cent ?…

…war gestern wohl einer der meistgesagten Fragen in Ludwigshafen. Oder zumindest auf dem Messplatz in der Heinigstraße.
Im Mai habe ich einen Artikel über die Flohmärkte in Ludwigshafen geschrieben. Zur Recherche war ich damals auch in Mannheim und Frankenthal. Ganz ehrlich: Was da teilweise gehandelt wurde, versetzte mich in Erstaunen. Gebrauchte Sachen, die ich schon in besserem Zustand in die Mülltonne geworfen hatte, wechselten den Besitzer. (Kinder, alles aufheben! Es gibt wohl für jegliche Gebrauchsgegenstände – egal in welchem Zustand – einen Abnehmer!) 
Mittlerweile machen die Stadtteilseiten in der Tageszeitung eine Serie über Nachhaltigkeit. Wir wollen nämlich “Nebenbei die Welt retten”. Ich bearbeite den Überbegriff “Konsum”. Und was ist beim Konsum nachhaltiger als die Wiederverwertung (wenn nicht gleich die Vermeidung). Also beschlossen wir, zukünftig nichts mehr wegzuwerfen, sondern alles schön zu sammeln. Nach Ausräumen der Küche und nachdem unsere Große ihre Kindheit für beendet erklärt und alles was damit zusammen hängt (Puppen, Barbies, Spiele, das halbe Universum eben) aussortiert hatte, war es an der Zeit, Blog und Stift gegen den Platz hinter dem Verkaufstisch einzunehmen und das ganze Geschehen mal aus einer anderen Perspektive zu beleuchten. Was sich auf einem Flohmarkt nämlich tatsächlich abspielt, erfährt man nicht durch Befragung der Beteiligten, sondern nur durch aktive Teilnahme am wirkliche Leben. 

Wir sind also schon vor Sonnenaufgang los. (Wir, das waren die 12-jährige Erwachsene und ich). Um 7 Uhr waren wir am Platz in der Ludwigshafener Heinigstraße. Einige Händler waren vermutlich vom Vortag noch da. Der Flohmarkt findet immer freitags und samstags zu festgelegten Terminen statt. Neuwaren sind erlaubt. Ein großes Zelt voll mit Süßigkeiten und anderen Artikeln wie Salatsoßen und Dosenwurst fertigte bereits erste Kunden ab. Später wurden die Schlange immer länger und die Aufbauten zunehmends leerer. Tüte um Tüte wurde vom Platz getragen.
Einige private Händler waren früh schon mit Standaufbau beschäftigt. Offiziell öffnet der Markt erst um 8 Uhr. Wir hatten noch nicht richtig angefangen, die “Waren” aus den Kisten zu räumen, waren schon die ersten Kunden da und fragten nach Handys, Playstation oder Uhren. Mit sowas konnten wir aber nicht dienen. Später waren ein Bodum-Kaffeebereiter, ein WMF-Topf und eine Alfi-Thermoskanne begeehrte Objekte, die wir hätten für 50 Cent bis 2 € verkaufen sollen.
Uns gegenüber stand ein Transporter. Die Händlerin fing aber erst sehr spät mit dem Aufbau ihres Pavillons und der Tische an. Sie ließ sich außerdem sehr viel Zeit. Als ich sie fragte, warum sie noch nicht aufgebaut hätte (sie war schon da, als wir ankamen) antwortete sie:
“Um diese Uhrzeit kommen nur die Schatzsucher und Wiederverkäufer. Das ist nicht meine Klientel. Die suchen Leute wie Sie, die sie über den Tisch ziehen können und die ihre Ware für einen Apfel und ein Ei verkaufen.”
O.K. Ertappt. Wir hatten tatsächlich ein paar Sahnestückchen dabei. Der Rest sollte einfach nur nicht in den Müll. Klar, ne? Nachhaltigkeit eben. Was wir nicht mehr brauchen ist noch lange nicht so schlecht, dass es für jemand anderes nicht noch nützlich sein konnte!

Klamotten gehen gut. Der Ständer vom Nachbarstand war später ständig belagert.

Egal was, alles geht. Das ältere Ehepaar hatte das Prinzip schon kapiert. Sie hatten gleich mehrere Kleiderständer dabei. Das Auto wurde ebenfalls zur Ausstellungsfläche. “Platz ausnutzen” nannten sie das. Schließlich zahlt man pro laufendem Meter und da muss so viel drauf wie eben geht. Da waren wir schlecht vorbereitet. (Perfekte Opfer eben für die Schnäppchenjäger. Vermutlich riechen die das). Außer ein paar alter Kinderkleider hatten wir nichts mit. Die Kartons wurden auch ganz schnell zur Wühlkiste. Preise hatte ich für die guten Sachen im Kopf. Alles andere sollte für 1 € weg. Anfangs ließ ich auch noch mit mir handeln. Allerdings ging mir dann ganz schnell auf die Nerven, dass bei Sachen, die man nur für 1 € anbot, vor allem von den türkischen Kunden gefragt wurde “Geht auch 50 Cent”. Und die Worte, die dann noch gemacht wurden. Unglaublich. Eine Frau (keine Türkin) wollte ein paar Sandalen für 50 Cent. Habe ich abgelehnt.
Später kam sie wieder. Die Schuhe hätten doch Tragespuren. (Hallo? Gehts noch! Schuhe für 1 €!)
ICH: Hier kosten die Gebrauchten 1 €. Willst Du neue, gehst Du ins Geschäft und kaufst Dir welche.
SIE: Geht nicht 50 Cent?
ICH: Doch. 50 Cent für den Rechten und 50 Cent für den Linken.
Sie lachte und kaufte die Schuhe nicht.

So ungefähr ging das den ganzen Tag. Oft haben die Kunden dann Sachen nicht gekauft, weil sie für etwas, das ich für 3 € verkaufen wollte, nur 2 zahlen wollten und ich ihnen nur 50 Cent entgegenkam.
Der Nächste hat es dann für 4 € genommen.

Ein netter älterer Herr interessierte sich für eine meiner alten analogen Kameras. 2 € hat er mir dafür gegeben. Er sammelt, sagt er. Ich gab ihm die anderen beiden auch. Ob sie noch funktionieren, wußte ich nicht. Sie lagen schon eine Weile bei mir im Schrank. Zu Schade für in den Elektroschrott, aber eben lange nicht mehr im Gebrauch. “Dann nehmen sie wenigstens noch den Euro” sagte er und freute sich sichtlich über ein Schnäppchen.
So geht Nachhaltigkeit auch. Dann gebe ich auch gerne.

Alles in Allem haben wir sehr viel verkauft. Angefahren waren wir mit 2 Autos. Für den Rücktransport war ein Auto nicht ganz voll und da war auch noch ein Tapeziertisch und leere Umzugskartons drin.

Den Erlös aus den Kindersachen hat natürlich die Große bekommen. 12-jährige Nichtkinder haben schließlich große Wünsche. Den Rest habe ich umgehend vor Ort reinvestiert. Das Geld muss schließlich im Umlauf bleiben. Wegen der Konjuktur und so. Ihr wißt schon…
Die Dame vom Stand gegenüber (Ihr erinnert Euch, die die so spät ausgepackt hat), hatte nämlich wunderschöne neue Ledertaschen im Angebot. Dazu Schals, Schmuck und Uhren mit Glitzersteinen. Das ist fast so schön wie Schuhe.

Der Anblick war nur schwer zu ertragen, als sie Stück um Stück aus dem Transporter trug und platzierte. Und so ging dann eine braune Ledertasche und ein Schal mit mir nach Hause. Die Große leistete sich einen apfeligen Schlüsselanhänger.

“Geht auch 50 Cent?” hab ich sie gefragt. Da musste sie lachen.

In der Artikelserie im Marktplatz LU in der Rheinpfalz ist bereits
am 26. September erschienen “Wohnraum sinnvoll nutzen” (Stichwort Planung).
Es folgen noch
Energie (02.10.)
Konsum (10.10.) – den mache ich
Zeitgeist (17.10.)
Erziehung (24.10.)
Verkehr (31.10.)
Ende mit dem Fazit ist am 07.11.

Ich bin schon selbst gespannt, was die Kollegen so alles zu berichten haben.

Ein Kommentar

  • Sabine

    Hihi, das kommt mir nur allzu bekannt vor. War zweimal auf dem Flohmarkt in diesem Jahr. Meinen alten Krempel habe ich zu Flohmarktpreisen verkauft, sogar gebrauchtes Parfum. Nur meine Schmucksachen gingen zu normalen Preisen über den Tisch, vielleicht einen kleinen Tuck günstiger. Haben die Leute trotzdem gekauft.
    LG Sabine

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert